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22/08/2013

In Dawson City waren die Straßen einst mit Gold gepflastert. Ich meine damit kein abgegriffenes Synonym für sprudelnde Steuereinnahmen. Die Stadt war Kulisse für den größten aller Goldräusche in Nordamerika. Die einzigartige Chance auf Reichtum für Jedermann. Heimat von zeitweise 40.000 Goldsuchern, obwohl völlig isoliert und nicht weit vom Polarkreis gelegen. Allein die Anreise über den verschneiten Chilkoot Pass und den unberechenbaren Yukon River kostete viele das Leben. Doch sie kamen alle, weil in Dawson City um die Jahrhundertwende tatsächlich Gold auf der Straße lag.


Der Rausch an sich war jedoch schnell vorüber. Nach nur zwei Wintern war das meiste Gold gehoben und aufgeteilt. Danach konnte nur noch mit Spezialwerkzeug profitabel gearbeitet werden. Als nach fünf Jahrzehnten Goldförderung der letzte Eimerketten-Schwimmbagger den Ort verließ, war Dawson City beinahe eine Geisterstadt und der Großteil des Stadtkerns einsturzgefährdet. Gerade noch rechtzeitig begann die kanadische Regierung in den Sechzigern damit, die Stadt zu restaurieren um ihr neues Leben einzuhauchen – wobei man auf gewaltige Schätze traf.


Weil die Stadt zu Boomzeiten schneller wuchs, als der damals jungfräuliche kanadische Staat mit der Infrastruktur nachkam, gab es zu Beginn in Dawson City weder eine Post noch Banken. Das bedeutete: Jeder Tausch oder Kauf in der Stadt wurde nicht mit Papiergeld abgegolten, sondern mit Goldstaub. Fein abgewogen auf einer Taschenwaage, ohne die sich kein Bewohner bei Sinnen aus dem Haus wagte. Selbst die fünfte Runde Whiskey im örtlichen Pub wurde auf diese Weise beglichen, weshalb bei der Renovierung der Stadt praktisch unter jedem Balken und jeder Diele ein kleines Vermögen Goldstaub ans Tageslicht trat.

Dem nichts ahnenden Touristen werden gleich zehn verschiedene Stadtführungen geboten, wenn er mehr über Dawson City erfahren möchte. Weil wir sowieso eine Jahreskarte für alle historischen Stätten in Kanada besitzen, ließen wir uns nicht lumpen und beteiligten uns (als einzige ohne Rollator) am klassischen Rundgang, am klassischen Rundgang mit merkwürdigen Geschichten, nahmen die Einladung in die Residenz des Commissioner dankend an, schauten an der Blockhütte von Jack London vorbei und wählten im Grand Palace Theater nach flammenden Plädoyers den beliebtesten Bewohner der Stadt um die Jahrhundertwende. Leider verschliefen wir wie man einen Goldclaim absteckt.


Hier stehe ich gerade neben der entzückenden „Klondike Kate“, der einst berühmtesten   Unterhaltungskünstlerin der Stadt. Es ist nur ein paar Minuten her, dass sie beim historischen Wettbewerb um den beliebtesten Bewohner der Stadt eher unglücklich abschnitt (Dritte von Drei), doch sie lächelt als könne ihr diese Schmach nichts anhaben.

Seitdem ist viel passiert. Dawson Citys kleines Zentrum sieht heute aus wie eine herausgeputzte Western-Kulisse. Die Straßen bestehen aus staubiger Erde, als Fußwege nutzt man Holzplanken. Fast alle Häuser sind liebevoll restauriert. Es gibt sogar eine Post und eine Bankfiliale. Gold wird immer noch gefördert, im Jahr sind es rund zwei Tonnen (zum Vergleich: 1900 waren es 35 Tonnen). Wer jedoch etwas davon abhaben will, braucht hochspezialisierte Technik, eine Pfanne reicht nicht. Deshalb versuchten wir uns erst gar nicht darin, sondern probierten die zweite Möglichkeit, mit der man in Dawson City reich werden kann. Im Casino.


In „Diamond Tooth Gertie’s Gambling Hall“ wurden schon vor 40 Jahren ganze Monatslöhne verzockt. Damals war es das einzig legale Casino in ganz Kanada. Und wie es sich für ein ordentlichen Glückspieltempel gehört, gibt es auch heute weder Kinder noch Tageslicht, dafür ganz viel roten Samt und die gesamte Palette erwachsener Abendbetätigungen – Black Jack, Poker, Roulette und die absoluten Klassiker: die einarmigen Banditen.

Für die nächsten fünf Stunden war also für Begeisterung gesorgt. Leere Augen starrten auf Pflaumen, Erdbeeren und Zitronen. Auf rote, gelbe und blaue Siebenden. Knöpfe wurden beständig gedrückt. Strategien und Gewinne ausgetauscht. Maschinen verflucht. Währenddessen zogen drei Shows von Gertie und ihren leichtbekleideten Tänzerinnen an uns vorbei. Am Ende wankten wir, den Wahnsinn gekostet, mit ein bisschen weniger Geld in den Taschen als vorher, auf Holzplanken durch die Nacht zu unserem Zuhause. Über uns flirrten Nordlichter durch ein Labyrinth aus Sternen.

64° 3' 36.25'' N    139° 25' 55.33'' Whttp://de.mygeoposition.com/loc/Dawson,%20Yukon,%20Kanada/?zoomLevel=12&mapType=