THE GODS TOLD ME TO RELAX
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21:07, 14. Oktober


Es ist ein lauer Herbstabend. Judith wird in ein paar Stunden 27 Jahre alt. Unser Arbeitskollege Tyler entscheidet sich spontan, ihr etwas schenken zu wollen. Wir gehen gemeinsam in den Schnapsladen seiner Cousine.


21:15


Wir stehen an der Kasse. Tyler erklärt uns die Vorliebe der Kanadier für vorgemischte Likör-Sets in Neonfarben. Die radioaktivgrüne Sorte heißt „Klapperschlange“. Es betreten drei Jugendliche den Laden. Tylers Cousine deutet uns an, zu schweigen. Auf einmal rennen die drei Jugendlichen aus dem Laden. Tylers Cousine schreit.


21:17


Ich bin drei Fremden auf den Fersen. Warum kann ich nicht genau sagen. Ich verlangsame mein Tempo und überdenke die Situation. Dann renne ich weiter. Die Jugendlichen trennen sich nach ein paar Augenblicken. Zwei, verfolgt von Tyler, drehen Richtung Westen ab. Ich hefte mich an den Typen, der nach Norden rennt. Wir sprinten durch eine Tankstelle. Dann über eine Straße. Zwei Autos bremsen abrupt. Er rennt über einen Bürgersteig. Dann biegt er ab in die Dunkelheit. Als ich die Ecke erreiche, ist er weg.


21:24


Ich finde den Jugendlichen in einer schmalen Gasse. Er liegt im Gras. Warum, weiß ich nicht. Ich frage ihn. Er sagt, er hat sich den Knöchel verletzt. Ich glaube ihm kein Wort. Ich frage, wo der geklaute Alkohol ist. Er sagt, er weiß nicht wovon ich spreche. Ich werde deutlicher und durchsuche seine Sachen. Ich will, dass er aufsteht. Nirgendwo ist der Alkohol zu finden. Aber es geht nicht. Er hat sich tatsächlich den Knöchel verletzt. Er ist über eine Eisenkette gestolpert. Ich denke: Eine Flasche Wodka für zwei Monate Schmerzen sind kein guter Deal. Ich helfe ihm auf. Ein Passant hält an. Wir stützten ihn zusammen und bringen ihn in den Schnapsladen zurück.


21:31


Wir sind im Laden. Ich sehe zum ersten Mal seine vernarbte Haut. Seine trägen Augen. Seine fettigen Haare. Seine langen, verdreckten Fingernägel. Ich schätzte ihn auf 14, maximal 15 Jahre. Er ist definitiv nicht nüchtern. Tylers Cousine fragt ihn nach seinen Personalien. Er sagt, er habe keine Dokumente bei sich. Ich gehe raus und suche meine Freundin.


21:36


Judith kommt auf den Parkplatz vor dem Schnapsladen gefahren. Sie wirkt unglücklich. Sie fragt, wie ich auf die Idee komme, drei wildfremde Halbstarke durch die Nacht zu jagen. Ich erzähle, was passiert ist.


21:48


Der Dieb wird für die „Wall of shame“ fotografiert. Eine Art moderner Pranger, der neben der Kasse aufgehängt ist. Ich suche nach Gemeinsamkeit in den Gesichtern der Täter. Aber das Poesiealbum erfolgreicher Alkoholräuber ist zu divergent. Wir dürfen uns eine Flasche Wein als Belohnung aussuchen. Wir nehmen kalifornischen Moskato, weil nicht Rache, sondern Gerechtigkeit süß schmeckt.


16:42, 18. Oktober


Wir stehen vor demselben Schnapsladen. Einige Tage sind vergangen. Als wir eintreten, werden wir umschwärmt wie eine Delegation arabischer Scheichs in einem Porscheautohaus. Es fallen Dankesworte. Anerkennung mischt sich unter die klinisch trockene Heizungsluft. Dann wird das Plakat präsentiert. Der Abend des 14. Oktobers laminiert für die Ewigkeit. Ich lese die Worte „extremely fit“, begreife das ich gemeint bin, und fühle mich geschmeichelt. Ich kann mir auf einmal vorstellen, wie ein siegreicher Soldat sich bei der Rückkehr in sein Heimatland fühlen muss. Ich checke instinktiv zwei Männer im Laden zu meiner Rechten ab. Sie sind harmlos. Ich spüre wie Enttäuschung in mir hoch kriecht.


Ladendiebe - wir ihr Zwei auf dem Foto... Aufgepasst!

Du kannst nie wissen, ob ein extrem fitter und sehr loyaler Kunde im Laden ist, und entscheidet dich für 16 Minuten zu verfolgen!

Um dich anschließend am Nacken gepackt, in den Laden zurück zu schleifen, mit deinem frisch verstauchten Knöchel.



Möge dein Knöchel noch sehr lange weh tun!

dʒɜː.mən

træn.skrɪpt

18/10/2013