THE GODS TOLD ME TO RELAX
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Frisch verlobt, aber mit einer überzogenen Kreditkarte, kamen wir zurück aus einem fabelhaften Sommer in Alaska. Vor uns lag ein halbes Jahr Arbeit. Und ein Winter, der das ein oder andere Mal die -40 Grad-Grenze unterschreiten würde. Doch davon wussten wir damals noch nichts. Im September waren wir ausgelassen und ganz verrückt nach der Schönheit des amerikanischen Nordens. Dort wo Bisonherden über die Straßen streifen.

September

Oktober

November

Dezember

Januar

Februar

März

April

Mai

Juli

August

An unserem allerersten Thanksgiving gab es zwar keinen Truthahn, dafür aber einige Nahtoderfahrungen. Noch vor Kartoffelbrei und Kürbispastete präsentierte uns George (unser Co-Chef auf dem Golfplatz, der hier im Vordergrund so unschuldig grinst) sein liebstes Spielzeug: ein silberner Chevrolet Camaro, Einstiegsausgabe mit 323 PS. Innerhalb von nur zwei Monaten hatte das Biest ihm Strafzettel im Wert von fast 1000 Dollar beschert - und wir lernten schnell warum. Durch ein Neubaugebiet rasten wir mit Tempo 140, die Kurven nahm er allen Ernstes mit 90. Glücklicherweise saß man als Beifahrer auf Höhe der Radaufhängung und bekam so nur das halbe Unheil mit.

Mäuse lieben Mathilda. Kein Wunder: Es ist warm, man ist sicher und es gibt genügend Vorräte für eine ganze Kolonie. Dreimal schon hatten wir flauschige Gäste, die nachts durch die Küche rascheln und Bettlaken annagen. Am nächsten Morgen lässt sich anhand der zahlreichen Mäusenuggets das Geschehen leicht rekonstruieren, doch von den Delinquenten fehlte jede Spur. In diesen Fall konnten wir den Eindringling jedoch auf frischer Tat ertuppern und zehn Kilometer entfernt aussetzen – drunter finden sie, laut verzweifelten Beschreibungen im Forum für ungeliebte Haustiere, immer zurück. Zudem war es wohl im Anbetracht mancher Zwischenfälle in der Vergangenheit wohl eine gute Entscheidung, sich keinen Toaster zuzulegen.

Eigentlich war der Plan an Heiligabend fett Feiertagszuschlag abzukassieren, doch in der Ölindustrie herrschte (zunächst) himmlische Ruhe. Und nachdem das letzte Weihnachten ortsgebunden in kurzen Hosen stattfinden musste, nutzten wir die Gelegenheit diesmal für den zeremoniellen Overkill: Plätzchen komponieren, Glühwein quirlen, Schneebälle werfen. Sechs Stunden werkelten wir allein am kernigen Nussbraten, dem Rucola-Gedicht mit geräuchertertem Tofu und Schokoladen-Balsamico-Vinaigrette, sowie den gebackenen Birnen in Vanillesauce. Doch als der Zauber gerade seinen Weg in unser fahrendes Heim gefunden hatte, riefen schon die Geister von der Arbeit an.

In Kanada den Winter auf einem Campingplatz zu verbringen, klingt nicht nach der populärsten Idee. Doch wir waren längst nicht die Einzigen. Allein auf unserem Platz ergaben sich ungefähr 100 weitere Wohnmobile demselben Schicksal. Die meisten Bewohner arbeiteten in der Ölindustrie und waren dementsprechend fast nie da. Und so war es größtenteils gespenstisch still auf dem Gelände. Wegfahren konnte man so leicht allerdings auch nicht, weil Mathilda die meiste Zeit komplett eingeschneit war. Schon der Versuch zu den Duschen zu laufen, endete in der Regel mit einem geprellten Steißbein, weil nicht gestreut wurde. Manchmal kam jedoch auch ganz unerwarteter Besuch vorbei – wie auf dem Foto.

Es gibt schönere Dinge, als bei -28 Grad Außentemperatur eine gefrorene Wasserleitung aufzutauen. Aber was soll man machen? Das Leben im Wohnmobil ging auch im Winter weiter. Da ein Fensterwechsel nicht im Budget war, klebten wir die Fenster mit Folie ab. Geheizt wurde über Infrarot und Propangas. Und wenn eine laue Nacht (alles unter -20 Grad) angekündigt war, machten wir nachts sogar alles aus um Geld zu sparen. Dann froren zwar manchmal die Wasserkanister ein, aber unter der Bettdecke war es immer muschlig. Nur die winterliche Toilettennutzung erforderte einige Übung. Gleich zwei Mal schafften wir es, das komplette Abwassersystem des Campingplatzes einzufrieren. Aber, hey, wir haben überlebt. Bis auf das Klo – das musste im Frühling ausgetauscht werden.

Bei Walmart ist es dank mieser Löhne und gigantischer Arbeiter-Fluktuation mit dem Teamgeist nicht so weit her. Deshalb gibt es dort vor Schichtbeginn eine ganz besondere Einschwörung auf die Arbeit in Amerikas größtem Supermarkt. Die ganze Schicht bildet einen Kreis, klatscht in die Hände und beginnt cheerleaderesk den Firmennamen durchzudeklinieren („Gibt mir ein W, gibt mir ein A, gibt mir ein L“ usw.). Anschließend gebietet der Teamleiter zum großen Finale und fragt erwartungsvoll: „Wer ist der Größte?“, woraufhin die Mitarbeiter nicht Allah, sondern natürlich „WALMART!!!“ brüllen müssen. Judith, ausschließlich in der Nachtschicht tätig, kam noch gnädig davon. Nach Sonnenuntergang begnügt man sich mit einem choralen „One – Two – Three – WALMART!“ vor Schichtbeginn.

Eigentlich fliehen wilde Tiere vor Automobilen. Die Größe, der Krach, die Scheinwerfer – wer hätte da keine Angst? Die Dickhornschafe – wohlgemerkt Fluchttiere – am Lake Minnewanka jedenfalls nicht. Die Widder stürzten sich auf Mathilda wie kambodianische Bettler auf einen weißen Touristen. Aufgrund der winterlichen Straßenstreuung hielten die Bergschafe unser Wohnmobil für einen gigantischen Salzleckstein. An den besten Leckplätzen (Felgen und hintere Stoßstange) kam es gar zu größeren Warteschlangen. Zu weil wurde sogar – zur Freude der menschlichen Insassen - zum Vordrängeln das Gehörn eingesetzt.

Jedes Jahr spendet Willem-Alexander, König der Niederlande, der kanadischen Hauptstadt Ottawa eine Tulpenpracht auf Bundesgartenschauniveau. Aus Dank, das Kanada der Königsfamilie und anderen Holländern im 2. Weltkrieg Zuflucht gewährte. Die Blumen sind überall in der Stadt: in den Parks und Bummelmeilen, vor allem aber vor wichtigen Gebäuden. Natürlich blüht es auch vor dem kanadischen Parlament pink, weiß und rot – zur allabendlichen Freude eines Heckenbewohners. Direkt unter dem Büro von Premier Stephen Harper lebt dort der größte Nutznießer der niederländisch-kanadischen Freundschaft: ein handgepäckgroßes Murmeltier, dass sich weder von uns noch von anderen Schaulustigen beim Mümmeln stören ließ.

Wir geben zu: im Regen tanzen ist schon arg klischeehaft. Normalerweise duschen wir in öffentlichen Sporthallen, Fitnessstudios oder Schwimmhallen. Nur gab es davon leider nichts im bezaubernden Berwick, wo wir arbeiteten. Meistens badeten wir deshalb notgedrungen im Bewässerungsteich für die Kartoffeläcker. Allerdings lebten dort neben einem einsamen Biber und roten Schmuckschildkröten auch eine Zillion Blutekel, was den Spa-Faktor doch erheblich beeinträchtigte. Und so instrumentalisierten wir den Regen, wann immer es uns möglich war.

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Juni

Auch im Outdoor-Urlaub darf der beste Freund des Menschen nicht fehlen. Wer seinen Husky-Welpen allerdings nicht über den kompletten Appalachian-Trail (wohlgemerkt 3500 Kilometer) auf dem Arm tragen will (tatsächlich beobachtet), muss seinen Bello vorher ausrüsten. In der Wadenbeißer-Kategorie gibt es umschnallbare Gestelle, aus denen Waschtl fröhlich die Szenerie genießen kann, ohne sich die kümmerlichen Beinchen zu verrenken. Größere Hunde müssen dagegen ihr eigenes Futter (und gegebenenfalls das Sixpack Bier von Herrchen) im eigenen Rucksack über Wurzeln und Bergkämme tragen. Unseren bisherigen Favoriten in der Outdoor-Tierausrüstung sahen wir im Kejimkujik National Park. Dort stiegen doch tatsächlich vier winzige Toy-Collies in maßgefertigten orangenen Hundeschwimmwesten aus dem Kanu.

Man hätte es wissen können. Bei unserem letzten Ausflug aufs Wasser hing der „Geruch von verdauten Frühstücksflocken in der Luft“, wie ich von unserem damaligen Kajak-Ausflug aus Neuseeland reportierte. Doch wenn die einmalige Gelegenheit besteht, Belugawale zu sehen, und dazu die eigene bessere Hälfte inklusive Schwiegereltern auf einen einhämmert, dass es bestimmt gut gehen wird, kann man die Vergangenheit schon mal vergessen. Doch die Vergangenheit vergisst nicht. Bereits nach zehn Minuten Schlauchbootfahrt hatte Judith einen Teint, der nur unter Vampiren als gesund gelten kann. Nach dreißig hatte sie mit dem Leben grundsätzlich abgeschlossen. Die Augen öffnete sie erst eine Stunde später wieder – nicht als die Belugas an uns vorbeischwammen – sondern als der Kapitän anbot, sie an Land zurückzubringen.

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